Als
ich morgens erwache, ist das Girasole noch nicht im Tagesbetrieb. Nur
die Herrin des Hauses werkelt schon am Frühstück, Felice ist schon al lavoro,
die Jugend schläft noch. Obwohl ich mir für heute wieder eine
Mammut-Etappe verordnet habe, lasse ich den Tag gemütlich mit Franca in
der wunderbaren Küche der Nuccis angehen und bekomme zum Abschied noch
eine DVD mit einer Doku der Via Francigena als regalo (musste ich auch erst in Leo eingeben).
Danach besuche ich die Messe in Contigliano, mit einem dunkelhäutigen Baby als Star - gegen den kleinen Derwisch erscheinen Antonias Eskapaden im Gottesdient (gehma jetzt ENDLICH usw.) als harmlose Spielchen eines wohlerzogenen Engelchens. Ich wünsche mir, dass ich die Gelassenheit bei "auffälligen" Kindern der anderen auch bei meinem eigenen Töchterchen kultivieren könnte. Meist verspüre ich den Wunsch, sofort im Boden versinken zu können, während rundherum alle, verständnisvoll wirkend, lächeln.
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Greccio im Sonnenlicht (aus Wiki) |
Ich kann trotz allem Zeitdruck nicht widerstehen, an der Mittagsmesse teilzunehmen, sehr stimmig, mit einigen Pilgern mit Rucksack. Nach einem kurzen Ratsch mit dem Priester hole ich mir den timbro ab und erweiche einen italienischen Landadligen im Range-Rover, der mich großzügigerweise in den Ort zurück bringt. Keine Chance, die weit über 20 Kilometer nach Fonte Colombo und zurück nach Rieti noch im Pilgerschritt zu schaffen.
Der Smalltalk auf italienisch klappt schon ganz ordentlich, ich kann mich sogar für das aus meiner Feldflasche ausgelaufene Wasser entschuldigen, das die Rückbank aus feinem Leder befeuchtet hat - sehr peinlich!
Mir tut die Hetzerei heute richtig Leid, Greccio wäre es wahrlich wert dort zu verweilen, anstatt es wie ein japanischer Tourist mit engem Terminplan abzuhaken. Nicht einmal Zeit für Fotos habe ich mir genommen. "Weiter, weiter!" ruft die rastlose Pilgerseele.
Der
Weg zurück in die Altstadt von Contigliano ist wieder einmal eine
Nordic-Walking-Etappe (auch in den Lowas mittlerweile problemlos möglich), danach gut beschildert weiter bis zur Verbindung
Rieti-Conti. Dort empfiehlt Kees einen Schlenker zum Bahnhof, während
die Beschilderung direkt Richtung Fonte Colombo weist. Leider folge ich
dieser - nur um nach einer Stunde an
einem abgerutschten Hügel abrupt ausgebremst zu werden. Wo ich auch
suche, keine Fortsetzung zu finden. Dazu kommt der sehr unsichere
Untergrund, hier wurde wohl in großem Stil abgeholzt, dann schlug die
Natur zurück. Auch kein GPS-Signal ist zu erhaschen - so orientiere ich mich an der langsam untergehenden Sonne. Auf fast zugewachsenen
Forstwegen wandere ich stetig bergauf und gelange nach endlosen Wirrungen tatsächlich nach S.
Elia. Sehr leichtsinnig, hier ohne Detailkarte und gegen besseren Rat in den Abend hinein zu rennen, mein lieber schlafloser Pilger.
An der einzig belebten Kneipe vorbei ist es ein
kurzer Sprint bergab, bis ich das völlig verlassen (nur ein paar Katzen und Hunde ruhen sich vor der porta aus) scheinende Kloster
Fonte Colombo erreiche. Außer timbro (in dreister Selbstbedienung) und
der Besichtigung der Tau-Kapelle kann ich mich nur noch zu wenigen
Besichtigungsaktivitäten aufraffen - im letzten Sonnenlicht stehe ich
an der Straße Richtung Tal, weitab von Rieti und der B&B-Adresse, die mir Franca noch zum
Abschied in die Hand gedrückt hat. Was nun? Weithin niemand zu sehen, der mich in die Stadt mitnehmen könnte.
Jedoch: Mein Glück verlässt mich an diesem Tag nicht mehr - das erste vorbeifahrende Auto wird von einem heimkehrenden Kellner der Bar von S. Elia gesteuert, der mich für 5 Euro bis zur Superstrada mitnimmt. Dort stehe ich im Dunkeln und warte mit ausgefahrenem Daumen auf einen weiteren gnädigen Autofahrer. Kaum überlege ich, mich kleinlaut und zu Fuß für eine weitere Nacht ins Il Girasole durchzuschlagen, hält eine junge Santiago-Pilgerin in spe an und nimmt mich nach Rieti mit. Sie erzählt mir von ihrem Traum, so bald als möglich den cammino zu gehen und fährt mich tatsächlich bis vor die Tür des B&B, wofür sie außer einigen Pilgeranekdoten und einem pace e bene nichts von mir annehmen will.
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Von Franziskus gemalt noch heute sichtbar |
Jedoch: Mein Glück verlässt mich an diesem Tag nicht mehr - das erste vorbeifahrende Auto wird von einem heimkehrenden Kellner der Bar von S. Elia gesteuert, der mich für 5 Euro bis zur Superstrada mitnimmt. Dort stehe ich im Dunkeln und warte mit ausgefahrenem Daumen auf einen weiteren gnädigen Autofahrer. Kaum überlege ich, mich kleinlaut und zu Fuß für eine weitere Nacht ins Il Girasole durchzuschlagen, hält eine junge Santiago-Pilgerin in spe an und nimmt mich nach Rieti mit. Sie erzählt mir von ihrem Traum, so bald als möglich den cammino zu gehen und fährt mich tatsächlich bis vor die Tür des B&B, wofür sie außer einigen Pilgeranekdoten und einem pace e bene nichts von mir annehmen will.
Lauredana, die Inhaberin des B&B, überrascht mich mit einem Outfit, das auf einen erlebnisreichen Abend schließen lässt - nur leider, leider ist ihr Haus durch einen Trupp Bauarbeiter völlig ausgebucht. Kurzerhand fährt sie mich ein paar Häuser weiter zu einem neu eröffneten B&B eines Freundes, der mich freundlich aufnimmt und sogar mit einem feudalen Abendmahl verköstigt. Ich kann nur noch den Kopf schütteln, keine Ahnung, womit ich das alles verdient habe. Wozu all diese kopflose Rennerei - nur um morgen im Pilgerbüro von Rieti eine Urkunde für den Besuch aller vier reatinischer Klöster abholen zu können? Wieder einmal für zweifelhaften Lohn eine Nacht unter freiem Himmel riskiert.
Mein lieber Adam,
AntwortenLöschen"für die morgige Etappe ohne Kees" - aber diesmal hoffentlich mit Detailkarte, oder?
Das "Du bist langsamer geworden" von Rob hat wohl nicht lange angehalten.... Das hetzende "Weiter, weiter" ist wieder eingekehrt. Genauso wie das doch ziemlich leichtsinnige Ausschlagen des Rates von Kees.
Was möchtest du dir da bloß selbst beweisen?
Warum du unbedingt diese Pilgerurkunde für den Vierer-Kloster-Lauf ergattern möchtest, sicher eine Frage und ein Hineinspüren wert....
Wobei ich gerade bemerke, wie ich ins Einordnen und Bewerten komme. Und vielleicht auch ein Stück weit ins "Ich wüsste besser, was für dich gut ist."" Oh,oh.....
Danke, lieber Adam, dass du deine Erlebnisse hier mit uns teilst. Immer wieder eine gute Gelegenheit, auch den eigenen Macken auf die Schliche zu kommen.
Pass gut auf dich auf!
Wie schön, wenn da jedes Mal herzensgute Mitmenschen auftauchen, die unsere Engel sein dürfen, sogar ohne dass wir es uns erst verdienen müssen.....
Eine herzliche Umarmung, deine Ka