Meine abschätzigen (inneren) Kommentare zu dieser Ignoranz legitimer Pilgerinteressen weicht bald tiefer Demut - es gibt nach Mentana kaum Ausweichmöglichkeiten neben der Straße, der immer dichtere Verkehr rauscht unablässig an mir vorbei. Ich habe die entgegenkommenden Autos fest im Blick und stapfe durch die an sich wunderbare Natur, die der Straßenverkehr zu einer Müllkippe verkommen ließ. Bei aller Konzentration, den einzigen unaufmerksamen Fahrer ja nicht zu verpassen, spüre ich eine Mordswut in mir aufsteigen. In dieser Intensität wie üblich auch auf mich selbst. Der resultierende grantige Blick hält mir aber glücklicherweise alle Gefahren vom Leibe. Ich spüre, wie ich kreuzende Wildsäue, bellende Hundemeuten und verwirrende Markierungen in der Natur vermisse. Nein, nicht das Geballer der cacciatori.
Fast am Ziel, etwas unscharf |
Doch ich habe noch ein gutes Stück, es sind noch mindestens 10 Kilometer bis zum Vatikan zu gehen - nun endlich auf Wegen für Fußgänger, sicherer, aber dafür wesentlich belebter. Nach Wochen in der Natur erscheinen mir mehr als 10 Menschen auf einmal bereits als Volksauflauf. Die Gedanken schwanken zwischen "Niemand erwartet Dich hier" und "Wozu das Ganze?". Schon Kilometer vom "großen Ziel" entfernt spüre ich, dass wohl alles, was ich mir von dieser Reise erhofft hatte, bereits in Assisi auf mich gewartet hatte. Mich überkommt plötzlich große Bitternis, die Pilgertränen, die manch verwunderter Passant vielleicht als Rührung über das Erreichen der ewigen Stadt gedeutet haben mag, entspringen wohl eher einer großen Traurigkeit über verpasste Chancen.
Kurz vor dem Vatikan gerate ich in eine Zeremonie mit militärischem Gepränge, eine auf Hochglanz polierte Soldateska empfängt mit endlosem Pomp einen wichtigen Gast, was eine riesige Menschenmenge anzieht. Ein paar Minuten geselle ich mich dazu, doch dann wird mir das Geschiebe zu viel, ich schmuggele mich durch die Reihen, den Petersdom schon unmittelbar voraus im Blick. Total ausgelaugt erreiche ich den Petersplatz, die immensen Menschenmassen erschrecken mich zutiefst. Wie an einem total überbuchten Transferterminal stehen endlose Schlangen zum Sicherheitscheck an, ohne Durchleuchten kommt niemand in den Dom und ans Grab von Petrus. Mein treues Pilgermesser wird als terroristische Bedrohung entdeckt, ich muss es dem Besuch des Domes opfern.
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Am Ziel? (Foto von Wolfgang Stuck) |
So statte ich dem ortsfesten Zentrum meines Glaubens einen halbherzigen Besuch ab und ziehe mich bald wieder aus dem Trubel innen in den Trubel außen zurück, wo gerade ein feiner Nieselregen die Besucher unter die Arkaden ringsum drängt. Im OPR, dem römischen Pilgerbüro, bekomme ich tatsächlich ein offizielles Dokument meiner PIlgerschaft. Als ich die Urkunde vor dem aufwendigen Bau in meinen Rucksack stopfe, höre ich hinter mir ein sanftes "Hey Pellegrino!".
Ja was soll man da sagen, du bist am Ziel.
AntwortenLöschenWer deine Reise mitverfolgt hat, kann deine Ent-täuschung verstehen.
Ist da wirklich nur Enttäuschung, ist da nicht viel mehr. Ein großes Gefühl, ja, es verdeckt durch seine Schwere sicher vieles andere.
Man braucht ein Ziel, damit man seinen Mut zusammen nimmt und ins Tuen kommt.
Dafür ist das Ziel da, es gibt dir Startenergie, recht viel mehr , glaub ich nicht. War bei dir schon ganz schön viel, zugegeben...
Der Weg ist dann die Schöpfung, du erfährst dich selbst, lernst einen Teil von dir kennen, es begegnet dir das, was grade dran ist. Wertfrei !!!
Auch wenn wir es nicht gelernt haben es ohne werten anzuschauen.
Es geht um´s Gehen,
um´s Lebendig sein,
um´s Leben.
Ja und am Ziel angekommen, geht dein Weg weiter, weiter...
„Immer weiter gehen....“.kennst du dieses Mantra
Freu mich dich wieder zusehen - Mecki
Lieber Adam,
AntwortenLöschenDem Anfang wohnt ein Zauber inne, im Ziel erwartet uns ein tiefes schwarzes Loch. So könnte eine Wahrheit sein, die sich in ihrem Unsinn allzu oft wiederholt.
Um das Ganze dann noch etwas zu steigern beeilen wir uns unterwegs noch recht kräftig, um endlich an das Ziel zu kommen. Alles nicht Neues, wie auch der Ratschlag schon den Weg als das Ziel zu sehen.
Hast Du nun etwas anderes erwartet ?
Ich denke nein. Schon dein Fragezeichen in der Überschrift will doch sagen, dass hier vielleicht kein Ziel, sondern nur ein weiterer Punkt auf deinem Lebensweg ist.
Sicher, es ist ein Punkt, in den Du Erwartungen gesetzt hast.
Eine Zeit oder Erkenntnis, gebunden an das Bild deiner Pilgerschaft, die zu einem Ende gekommen ist. An der Du nach hinten sehen kannst und Du dem Gewesenen nichts mehr hinzufügen kannst und aus der Du Dir jetzt eine Idee für ein neues Ziel holen kannst. Und ?
Keine Engel, keine Posaunen, nur das ganz Normale.
Und nach hinten geschaut kannst Du nur wenig sehen. Verpasste Chancen.
Hey, bist Du da nicht etwas ungerecht, denkst die Mäuse waren so klein und Du nur schnell. Stell Dir doch einmal vor, dass dieses Wenige so stark ist, dass es dich jahrelang begleiten kann, sich manch versteckte Spur erst nach langer Zeit öffnet, der ganze Weg ein Weg von Samen ist, die nun ihre Zeit brauchen.
Welcher Gärtner erwartet direkt nach der Aussaat Blütenfülle ?
Klar, ich verstehe deine Enttäuschung. Da war sicher eine Erwartung. Du hast Dir einen Weg, ein Wagnis vorgenommen und am Ende ist es "nur"der erste Schritt.
Doch, wenn ich das "nur" weglasse und es einen ersten Schritt sein lasse, sehe ich da etwas, dass auch wunderbar ist. Einen Weg, der weiter führt !
Ein Mantra des Lebens, dass in seinen beständigen Wiederanfang immer wieder nach Oben steigt um hinten wieder sanft zu landen.
Alles eine Frage wie ich es sehen will, oder Du.
Und Engel sind dabei recht selten, doch wenn Du es so willst, bist Du mindestens einem begegnet. Es liegt an Dir.
..Rob
Lieber Adam,
AntwortenLöschenbin schon gespannt, von wem das "Hey Pellegrino" kam...
Meine erste Reaktion zum Thema "zu Fuß in Rom einlaufen" trotz der vielen abratenden Stimmen war eher eine ziemlich skeptische - vielleicht ist es doch zu gefährlich, die werden schon wissen, warum sie davor warnen, usw.
Doch dann ist mir klar geworden, wie wichtig und bedeutungsvoll es für dich ist, hier auf deine eigene innere Stimme zu hören! Es ist genau so gut, wie du es entscheidest!
Wer hätte das gedacht, dass du die Hunde und Wildschweine nochmal vermissen wirst?
Die Worte deiner PGR-Kollegin Mecki - ja, das habe ich auch so erfahren. All die eigenen Themen, die beim Lesen und Schreiben auftauchen - sehr spannend!
Bei deiner Erzählung von den Pilgertränen habe ich das erste Mal selber ganz schön geschluckt und (nicht nur) fast ein bisschen geweint. Ich fühle mich dir gerade sehr verbunden....
Jetzt wünsche ich dir noch ein paar schöne Tage in Rom, mit mehr oder weniger Trubel, eine gute Heimreise und ein baldiges Wiedersehen mit Deiner Familie und deinen Freunden. Ich freue mich schon sehr auf noch detailliertere Berichte und viele Fotos....
Take care!
Deine Ka
Lieber Adam,
AntwortenLöschenda haben mich Rob`s Worte noch an einen Text aus "Brida" von Paulo Coelho erinnert:
Ein Mensch kann in seinem Leben zwei Dinge tun: bauen oder pflanzen. Diejenigen, die bauen, brauchen manchmal Jahre, um ihre Aufgabe zu erfüllen, aber eines Tages ist ihre Arbeit beendet. Dann sind sie untätig, und ihre eigenen Wände schränken sie ein. Das Leben verliert seinen Sinn,
wenn der Bau errichtet ist. Aber es gibt auch diejenigen, die pflanzen. Sie leiden manchmal unter Unwettern, unter den Jahreszeiten und ruhen selten aus. Doch anders als ein Gebäude hört ein
Garten nie auf zu wachsen. Und da er die Aufmerksamkeit des Gärtners immer fordert, kann für denjenigen, der pflanzt, das Leben ein großes Abenteuer sein.
Alsdann, mein Gärtner, freu dich auf die wachsenden Pflanzen, die Blüten, die Ernte......deines Weges!
Herzlich, deine Ka