Il ponte e aperto! |
Spoleto hab' ich bestiegen und war auf der Wasserleitung, die zugleich Brücke von einem Berg zu einem andern ist. Die zehen Bogen, welche über das Tal reichen, stehen von Backsteinen ihre Jahrhunderte so ruhig da, und das Wasser quillt immer noch in Spoleto an allen Orten und Enden. Das ist nun das dritte Werk der Alten, das ich sehe, und immer derselbe große Sinn. Eine zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst, so steht das Amphitheater, der Tempel und der Aquadukt. Nun fühle ich erst, wie mir mit Recht alle Willkürlichkeiten verhaßt waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und so mit tausend andern Dingen. Das steht nun alles totgeboren da, denn was nicht eine wahre innere Existenz hat, hat kein Leben und kann nicht groß sein und nicht groß werden.
Was bin ich nicht den letzten acht Wochen schuldig geworden an Freuden und Einsicht; aber auch Mühe hat mich's genug gekostet. Ich halte die Augen nur immer offen und drücke mir die Gegenstände recht ein. Urteilen möchte ich gar nicht, wenn es nur möglich wäre. (J.W.v. Goethe, Italienische Reise)
Den letzten Absatz findet man nicht mehr auf der Tafel, doch gerade dieser beschreibt in Kurzform eine Erfahrung, meiner der letzten Wochen ganz ähnlich. Lange verweile ich auf diesem auch für mich sehr sinnvollen Werk der Baukunst und knipse wie wild. Jetzt wäre es Recht, ein Falke zu sein und Spoleto und den Ponte aus höherer Perspektive zu sehen.
franziskanisches Luxusbett |
Diesmal bin ich früh genug dran, um das Kloster zu besichtigen. Die sieben erhaltenen Zellen der Brüder (bis vor 100 Jahren tatsächlich noch bewohnt) verdienen ihren Namen durch ihre Kargheit in jeder Beziehung. Der Gegensatz zwischen kirchlichem Glanz (wie im Dom erlebt) und der brutalen Einfachheit in der kompromisslosen Nachfolge Jesu irritiert mich in dieser Umgebung wie noch nie auf dieser Reise. Ich zünde eine Kerze für Lucas, Mona und alle anderen Menschen mit dem Beziehungsstatus "Es ist kompliziert" an. Auch diese Gruppe sucht noch einen trockenen Platz unter dem Dach der Kirche.
Um 10 Uhr stehe ich gebeutelt von religionskritischen Gedanken unter den düsteren Wolken von Umbrien - eine Entscheidung steht an. Um 11 Uhr auf dem Agroturismo, den Kees so anpreist, einlaufen und dort sinnieren, oder gleich weiter nach Ferentillo, wo hinter dem Gebirgszug vielleicht besseres Wetter lockt? Ich lasse den Bauernhof links liegen und mache mich auf den Weg nach Le Cese, den ersten Regentropfen geschickt ausweichend.
Castelmonte, vom Zahn der Zeit überwuchert |
Danach geht es im Galopp hinunter nach Le Cese, wo mich kurz nach den letzten schützenden Dächern ein mächtiges Gewitter einholt. Ich schaffe es gerade noch, Rucksackhülle und Regenjacke zu finden, idiotischerweise liegt die Regenhose zu tief im Zaino, so dass ich der Wasserfestigkeit meiner Berghose vertrauen muss. Im strömenden Regen lege ich die letzten 8-9 Kilometer ohne Kees Empfehlungen (der Weg in "meist trockenen Bachbetten" scheint mir bei der Sintflut etwas waghalsig) auf der Asphaltstraße nach Ferentillo zurück. Schilder dorthin finden sich keine, aber hilfsbereite Autofahrer weisen mir den nassen Weg hinunter. Lauthals singe ich das "Om bhur bhuvaha svaha" und hoffe, dass meine Rimbocchi aus Alu keinen Blitz anziehen.
Patschnass laufe ich im "Il Borgo" ein, trotzdem werde ich gastfreundlich aufgenommen, sogar ein Abendessen wird angeboten und Trocknungsmöglichkeiten für die Klamotten. Auch Geldbeutel und Kees haben reichlich Wasser abbekommen und werden mit dem Fön behandelt.
Bei einem tollen Abendessen im Gewölbesaal des Borgo werde ich für die Anstrengungen des Tages reich entschädigt. Im Überschwang beschließe ich, ab jetzt den Markierungen der Via Fracigena zu folgen, da mir Kees´ Anweisungen zu schwammig sind. Bei Dauerregen sind Bücher, Karten und GPS-Handys nur wenig wert. Sonja würde mir hier wohl raten, den Weg und die Herbergssuche mehr in Gottes Hand zu legen. Vermutlich sind die beiden Salzburgerinnen wieder auf dem Heimweg, hoffentlich mit einer besseren Perspektive als der schlaflose Pilger in der alten Ritterburg.
- Om, wir meditieren über den Glanz des verehrungswürdigen Göttlichen,
- den Urgrund der drei Welten, Erde, Luftraum und himmlische Regionen.
- Möge das Höchste Göttliche uns erleuchten, auf dass wir die höchste Wahrheit erkennen
Lieber Adam,
AntwortenLöschenmuss mich heute gleich mal der Frage deiner PGR-Kollegin Mechthild anschließen, was treibt dich so von einem Ort zum anderen? Ist es tatsächlich nur das Wetter, die Hoffnung, dem nächsten Regenschauer vorauszueilen? Oder steckt da noch mehr dahinter?
Was wäre, wenn du dir diesen "Luxus" gönnen würdest, mal wo zu verweilen und zu sinnieren, den Ausblick ohne Zeitdruck zu genießen, ewig den Schafherden zuzuschauen....?
Du erwähntest in einem Blog vor einigen Tagen das alte Spiel "Recht zu Leben bei Leistung". Heißt das in deiner Wertung, nur ein fleißiger Pilger, dem es gelingt, immer wieder statt einer gleich zwei Tagesetappen zu schaffen, ist ein guter Pilger?
Erinnert mich ein bisschen an die Worte Goethes, dem alles Willkürliche verhasst war und nur was von großem Sinn und Zweck war, in seiner Wahrnehmung eine Daseinsberechtigung hatte......
Ja, mit dieser Anschauung sind viele von uns schon von Kindheit an geprägt worden. Bin ich nur groß, wenn ich was großes geleistet hab? Muss ich mein Recht auf Leben erst durch Leistung erwerben? Oder sind wir nicht alle von unserer Entstehung an Wesen, die wertvoll sind unabhängig von dem, was wir leisten?
Der Wert des Lebens wird nicht durch das bemessen, was du tust oder wen du kennst oder wie du aussiehst,....… sondern dadurch, wer Du bist. Du bist was besonderes und wertvoll – Vergiss das NIEMALS!
Herzlich, Ka
Ach ja, und danke für die Kerze......
Lieber Adam,
AntwortenLöschender große Goethe, voller Widersprüche, Willkürliches verhaßt zum einen ,
zum andern " Urteilen möchte ich gar nicht, wenn es nur möglich wäre."
Unser Glauben schafft die Wirklichkeit, gibt Wertschätzung oder nicht ,
Rob würde einwerfen, eßbar oder nicht, ja auch eine Beurteilung.
Manchmal sinnvoll , manchmal sinnlos das Beurteilen.
Goethe hat nicht in solch einer Leistungsgesellschaft gelebt oder doch?
Egal, die Themen des Menschsein scheinen immer die gleichen.
Die höchste Wahrheit erkennen, jaa..das werden wir, in dem wir leben.
Nicht immer leicht...Mecki
Unbeeindruckt von allem bleicht die Landschaft, ein Wunder.
Hallo Adam,
AntwortenLöschenJa, das Urteil beschäftigte schon den alten Goethe
.. richtig, essbar oder nicht ist hier die gute Frage und mal weiter geschaut
ist es dann auch wieder egal, weil immer subjektiv.
Am Ende jedoch fließt das ganze Wasser ins Meer zurück oder sollte ich besser sagen steigt wieder in den Himmel als Wolke.
Nun, auf deinem Spurenweg gewinnt das Wasserthema an Gewicht.
Die Spur als kurze Strecke im großen Kreislauf. Am Ende weggewaschen und im großen AllesGleich aufgefangen. Doch was nutzt uns dieses Wissen.. Nichts.
Es interessiert im Jetzt nur der Moment. Mehr haben wir nicht .. und wollen doch noch mehr davon, sammeln sie und fühlen uns reich durch das Viel.
Nur der Philosoph darf das Wenige als viel sehen ? Und wie steht es mit dem Pilger ?
Wie ist das mit diesem traditionellen Aussteiger? Kilometerfresser, Kerzenanzünder, Bettentester, Schnitzeljäger .. oder gibt es da noch etwas anderes ?
Es muß im Leben doch mehr als Alles geben. Ein Satz den ich sehr mag und gerade verstehe. Die unbedeutenden Nebenschauplätze. Der Käfer auf der Coladose, das Schaf, das niesen musste.. steht nicht im Reisführer.. und doch.
Die Spur, die nicht verwäscht, sondern deine Falten prägt.
Lass Dich nicht vom Regen in den Fluss waschen, bleib an der Blume hängen oder von der Ziege saufen..
..Rob