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Stigmata im Herzen |
Meine Versuche, an der Klosterpforte für die Übernachtung einen Obolus zu hinterlassen, schlagen ebenso fehl wie in Spello, so lege ich eine Spende in die Kerzenkasse und suche mir eine Frühstücksbar in der Sonne. Auch für den 24km-"Hatscher" nach Spoleto heute brauche ich die Symbolik des Falken, doch ich mag mich anfangs gar nicht vom warmen Hauptplatz trennen und die Tour durch den Nebel antreten.
Erst spät mache ich mich wieder auf den Weg, den wohl auch Goethe schon genommen hat, mit den eigenartigen Mäandern, die Kees heute einschlägt. Außer der Strada provinciale (dicht befahren) ist kein direkter Weg erkennbar, so wechselt die Route andauernd die Richtung. In einem kaum nachvollziehbaren Zickzack kreuze ich wie ein Segelschiff bei Gegenwind, immer auf der Hut, die Abzweiger nicht zu verpassen. Auch die Karte auf dem Handy bietet keine Alternative zu diesem zermürbenden hin und her, wie üblich machen beide Akkus dazu ebenso schnell schlapp, wie die frohgemute Stimmung beim Auszug aus Montefalco. Mein anwachsender Grimm richtet sich nicht gegen die rein autofreundliche Straßenführung, sondern (natürlich undankbarerweise) gegen Kees, den Pilgerführer. Da ich, wie auf Flachetappen üblich, wieder einmal fast im Laufschritt unterwegs bin, meldet sich auch tibialis anterior wieder. Rast ist angesagt, mit einem Salami-Panino als Andenken an heitere Stunden in Montefalco. Gern würde ich heute über Claras Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister verfügen - welche Gedanken stammen wirklich aus meinem freien Willen, was steuert der Nordwind bei, von guten oder bösen Geistern befeuert?
Durch uralte Kulturlandschaft Richtung Spoleto |
Il Duomo, Amateuraufnahme |
Wie üblich lassen mich die Reliquien und Devotionalien (in einer Vitrine ist ein Brief von Franziskus aufgebahrt) eher unberührt. In der Osteria del festivale fülle ich die Kohlehydratspeicher auf. Das menu del giorno bietet Polenta mit Salsiccia und als ungewohnten Hauptgang Bruschetta mit neuem Olivenöl, wunderbar. Die letzten beiden Tage ging es meist flach dahin durch Kulturlandschaft von Olivenhainen und Ackerland. Ab morgen geht´s erneut in die Berge (ich erwarte da wieder öfter auf meine bellenden Freunde zu treffen) mit anspruchsvollerer Navigation ohne Superstrada als naheliegenden Orientierungspunkt. Auch heute erreiche ich daheim niemanden, mit der kurzen Nachricht, dass ich morgen eine Doppel-Etappe bis Ferentillo plane, verziehe ich mich ins Panciolle und grübele nach über Schuld und Sühne.
Lieber Adam,
AntwortenLöschenvielleicht ist deine Pilgerreise erstmal dafür da, um all deinen Groll ans Licht zu bringen,
ihn zu fühlen, egal, wodurch ausgelöst auf deiner Reise.
Vielleicht hast du ihn viel zu lange weggedrückt. Es geht dabei sicher nicht um eine Lösung oder um ein bestimmtes Ziel.
Es geht um dein Sein, und das ist grade voll von Groll, Einsamfühlen, wüste Beschimpfungen ja das fühlt sich heftig an.
Der Nordwind bringt dir Geister der Vergangenheit. Was die Geister wollen? Jedenfalls wollen sie wahrgenommen werden, der Rest wird sich finden.
Die Natur, die sich in ihrer vollen Schönheit zeigt, gibt dir Trost und Atempausen und Antrieb, dran zu bleiben...
Trotz Unverständnis, Schuh-Widrigkeiten, aggressive Hunde, Alleinsein bei Tisch und das in Italien, du gehst ( zeitweise rennst du auch ) ,deinen Pilgerweg !!! Du bist jetzt grade auf deinem Weg!!!
Eine Frage hab ich doch, Adam,
was ist der Grund deiner Doppel-Etappen?
Wünsche dir ein schnelles einschlafen , dann kannst du morgen lauter mitbellen...Mecki
Lieber Adam,
AntwortenLöschentja, das Segelschiff im Gegenwind.....
Heute musste ich erst mal Wiki befragen, um den Sinn des "Aufschießers" zu verstehen. Interessant fand ich dann allerdings, dass dieses Segelmanöver, bei dem ein Schiff in den Wind gesteuert wird, um es zum Stehen zu bringen, beispielsweise dafür genutzt wird, einen "Mann-über-Bord" wieder aufzunehmen (oder vielleicht auch einen Gedanken, ein Gefühl, eine Idee, eine Vision, eine Intuition.....?)
Dabei habe ich noch einige lehrreiche Segler-Weisheiten gefunden, wie:
Möchte ein Segelschiff gegen den Wind anfahren, was keine einfache Sache ist, muss es aufkreuzen. Konkret heißt das, einen Zick-Zack-Kurs fahren...
Meine gedankliche Spur führte mich dann in eine spannende Richtung. Wie gehe ich in meinem Leben mit Gegenwind um? Welche Taktik verfolge ich, wenn mich die Wellen hin und her werfen? Habe ich die Ausdauer, die Kraft, den Mut, mein Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren? Könnte der Wind, der mir entgegen weht, vielleicht sogar ein Zeichen sein - mein Tempo zu drosseln, mit dem Zick-Zack-Kurs gar eine Gefahr zu umschiffen? Fragen über Fragen.....
Was mich noch tief berührt hat, war dein geschildertes Erlebnis mit dem Bettler vor dem Dom. Die Tatsache (bzw. der Eindruck), dass die achtlosen, nichts-gebenden Kirchenbesucher besser behandelt wurden, hat mich stark an das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert. Der ältere Sohn, der immer brav dem Vater gedient hat (und mit dem wir uns immer gerne als erstes identifizieren), fühlt sich zutiefst ungerecht behandelt. Wie kann der Vater für diesen verschwenderischen jüngeren Bruder nach seiner Rückkehr so ein Freudenfest veranstalten? Allerdings könnten wir auch versuchen, dieses Gleichnis dahingehend zu sehen, dass wir (ich weiß, das ist nichts Neues von mir) alle immer von Gott getragen sind, egal welchen Weg wir gehen. Dass wir uns ausprobieren dürfen, dass wir Fehler machen dürfen, dass wir nach einem Scheitern nicht verzweifeln müssen oder nichts mehr wert sind. Dass selbst die schlimmsten Dinge, für die wir verantwortlich sind, uns nicht irgendwann als fette rote Minuspunkte angerechnet werden. Dass es vielleicht so etwas wie Schuld und Sühne gar nicht gibt. Hmmm....
Ich komme mir schon vor, wie der Pfarrer bei der Predigt! Naja, macht nichts, vielleicht ist das meine Bestimmung als Kommentatorin deines Blogs....
Mit einer liebevollen Umarmung, Ka
Liebe Karuna,
AntwortenLöschenich mag deine Predigt,
Mecki