Freitag, 25. Januar 2013

Auf der Flucht

Die letzten Tage waren geprägt von hektischer Aktivität. Beinahe fühle ich mich wie ein Todgeweihter, der noch die "letzten Dinge" ordnet, bevor er sich in ein hoffentlich besseres Jenseits verabschiedet.

Denn während mein reisefertiger Rucksack als mahnendes "Auf geht´s" in der Ecke steht, haste ich atemlos von einem Termin zum nächsten. 

Die freundliche Dame von der Arbeitsagentur versorgt mich mit Packen von Formularen zum Thema Selbständigkeit. Sie erklärt mir langmütig, dass Jobs wie mein bisheriger für meine Altersklasse nur selten erreichbar sind, dass ich mir überlegen sollte, in Zeitarbeit oder (noch besser) in die Selbständigkeit zu gehen. Mein (aus ihrer Sicht) allzu bereitwilliges Einlenken während der Phase des Abschiedes von xXx-Software verträgt sich nicht recht mit meiner Position als Antragsteller für Leistungen ihrer Institution. Trotzdem nehmen wir heiter voneinander Abschied, meine Erwähnung des Franziskusweges ruft in ihr fast vergessene Erinnerungen an fröhliche Urlaubstage in Umbrien wach.

Spannender verläuft ein längerer Termin mit dem Steuerberater (als Pilgervorbereitung gehe ich die drei Kilometer in meinen Hanwags). Die Idee der Selbständigkeit macht er mir aus einer anderen Perspektive als die AA-Dame schmackhaft. Mit strengem Blick doziert er: "Die gesetzliche Rentenversicherung ist am Ende. Jeder Cent, den Sie da einzahlen, ist aus dem Fenster geworfenes Geld". Meine Eltern sehen das sicher anders. Wir diskutieren eifrig über die Umkehrung der Alterspyramide. Eines meiner derzeitigen Lieblingsthemen. Ein wenig halte ich zurück - ich mag diesen knorzigen Kerl einfach zu gern, aber ein paar Spitzen aus der Zeit, als mir ein so genannter Vermögensberater einen Riestervertrag aufschwatzen wollte, bekommt er trotzdem ab. Er verblüfft mich mit dem Vorschlag, mein Geld in eine agrarisch nutzbare Fläche zu investieren - "da haben Sie wenigstens noch zu essen, wenn unsere Währung den Bach hinunter geht".

Während der Zeit unseres Gesprächs haben sich meine Füße in den Bergschuhen deutlich ausgedehnt und wieder hinke ich mehr Richtung Heimat als ich gehe. Wie die Bilder eines Schnellmalers aus dem Nachtprogramm von B3 wird aus dem Wirrwarr der letzten Tage allerdings auch eine Perspektive immer deutlicher: Die Idee der Selbständigkeit verträgt sich wie "carrots and peas" mit der Vision des beruflichen Wandels Richtung Heilwesen. Die Frage nach dem "Warum?" dieses  Wechsels vertage ich auf die Zeit auf dem Weg nach Assisi. Denn nach einigen Minuten Gehens sitze ich im Auto von Mecki, einer guten Freundin aus meinem Ort, die mich vom Straßenrand aufliest. 

Hat sie mit Gerda diskutiert? Jedenfalls bekomme ich in den 5 Minuten in diesem Auto die Breitseite aller (verständlichen) Ängste meiner Frau ab. Meine Entgegnungen hören sich in meinen eigenen Ohren etwas lahm an. Zum Abschied erklärt Mecki im gleichen Ton, mit dem sie die Ergebnisse der Pfarrgemeinderatssitzung deklamiert: "Die Idee mit der Pilgerreise zu diesem Zeitpunkt ist doch reine Flucht aus der Realität. Statt abzuhauen, solltest Du Dich um Deine Zukunft und deine Familie kümmern. Die brauchen Dich jetzt!". Meine Bedürfnisse sind nicht Bestandteil Meckis Überlegungen. Daraufhin verlasse ich tatsächlich fluchtartig dieses Blech gewordene Gefängnis meiner eigenen düsteren Gedanken. 

Auf den letzten Metern vor meinem Haus treffe ich die Entscheidung: Am kommenden Dienstag geht´s los. Wieder spüre ich dabei die tiefe innere Überzeugung, dass ich das Richtige tue. Andiamo!





2 Kommentare:

  1. Sei nur du selbst!
    Das allein zählt.
    Geh weder schneller noch langsamer als deine Seele.
    Denn sie ist es, die dich lehrt, wozu jeder Schritt gut ist.

    Paulo Coelho

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  2. Lieber Adam,
    während der Vorbereitungen zu meiner Pilgerrreise von Florenz nach Assisi bin ich auf Ihren Blog gestoßen. Einen Teil des Weges, den Sie gegangen sind, werde ich in wenigen Tagen beschreiten. Die Adresse Ihres Blogs ist in meinem Smartphone gespeichert als Ergänzung zu den Pilgerführern in Papierform. Dann werden Sie in meinen Gedanken den Franziskusweg noch einmal gehen und dabei immer einen Tag voraus sein. Bereits jetzt danke ich Ihnen für Ihre Begleitung.

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